künstlerisch intelligent

 

Bei der 77. Frühjahrstagung des Institut für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt (INMM) in Darmstadt (3.-6.4.2024) wird das Assoziationsfeld ›künstlerisch intelligent‹ ins Zentrum gestellt: »Dabei geht es weniger um eine Präsentation kompositorisch möglich gewordener Verfahrensweisen als vielmehr um die Frage nach dem Verhältnis von technischer Innovation und künstlerischem Ausdrucks- und Reflexionspotenzial. Der Allgegenwart von ›künstlicher Intelligenz‹ wird also die Suche nach der grundsätzlichen ›künstlerischen Intelligenz‹ gegenübergestellt.«


In meiner Keynote AB- UND ZU-HÖREN habe ich die Überlegungen weitergedacht, die ich mit Maximilian Haberer und Tomy Brautschek in unserem Projekt ACOUSTIC INTELLIGENCE angestellt haben…

 

Begriffe wie Abhören und Gehorchen fußen ohrenscheinlich auf akustischer Terminologie – und sollten damit auch Gegenstand der Musik(forschung) sein. Zumal in Hörweite künstl(er)i(s)cher Intelligenzen, die Sound mithilfe von Daten nicht nur generisch re_produzieren, sondern auch rezipieren – und also Acoustic Intelligence beweisen. Nicht von ungefähr bezeichnet dieser Terminus militärische Lauschangriffe auf maritimem Terrain und legt damit machttheoretische Resonanzen frei; zugleich werden in der Assonanz des Begriffs Fragen nach musikalischer Intelligenz und Anklänge an die Artificial Intelligence lautbar. Die Lecture richtet ihr Ohrenmerk auf verschiedene Szenarien menschlichen und non-humanen Ab- und Zu-Hörens: Von panakustischen Überwachungsszenarien über sozio_ästhetische und maschinelle Praktiken des Hörens bis hin zu künstlichen künstlerischen Intelligenzen…


Post- und transhumanistische Konzepte geistern durch Medien und Kultur. Sie eint der Glaube an die Überwindung des Menschseins – und doch handeln sie gerade vom Menschen: DE/HUMAN! Die als ›Live-Feature‹ konzipierte Lecture-Performance tastet nach einer Zukunftsmusik jenseits des Menschen: Am 4.4.2020 im Deutschlandfunk und am 8.4.2020 im Salon des Amateurs!



AUFFÜHRUNGEN


 

Beim Forum neuer Musik 2020 des Deutschlandfunk springt die zeitgenössische Musik dem Tod von der Schippe: Künstlerische Beiträge sowie journalistische Wissens-Formate entwickeln  Perspektiven auf das Sterben und die (Un)Endlichkeit. Am 4.4.2020 fragt das Kollektiv ›De|Human‹: Posthuman, all too human?


 

Im Salon des Amateurs tastet das Mini-Festival De|Human am 8.4.2020 in drei Performances und einem DJ-Set audiovisuell in eine Zukunft, die Natur und Kultur, Kunst und Technik wieder zusammendenkt.



ACTS


Transhuman Art Critics
›Kraftwerker‹ Emil Schult und Emma Nilsson betrachten die audiovisuelle Evolution der elektronischen Musik: Archäologische Funde vereinen sich mit der Wahrnehmung der Zukunft.

 

Lust + Rätsel
Christian Jendreiko begreift Mensch und Maschine als endliche Automaten, die in loser Koppelung verschmolzen werden können: als ›Netzixstenzen‹ und  generative Assemblage.

 

Das Qualleninstitut versteht sich als eine elastische, fluide und diaphane Stätte zwischen Wissenschaft, Medien und Kunst, denn:  Medusen besitzt das Potential, Welt neu zu denken.

 

Body Sound Network
Kseniya Prytula und Martin Hoffmann bringen mit ihrem Interface-Anzug die Mensch-Maschine-Interaktion zum Klingen: Die Rückkehr der Körperlichkeit in einer Welt diskreter Datenströme!

SUBLIME ÄSTHETIKEN

no apokalypse not now

Die Apokalypse überfordert, sie floriert ästhetisch zwischen Ehrfurcht, Irritation und Schrecken. In meinem Impulsvortrag SUBLIME ÄSTHETIKEN zur Premiere von Ariel Efraim Ashbels no apokalypse not now am 6.12.2019 im Düsseldorfer Forum Freies Theater (FFT) begreife ich das (Post-)Apokalyptische sozioästhetisch und via Abstecher über Kino und TV, Klimawandel und Anthropozän, Maschinen-Herrschaft und Technoästhetik, 9/11 und unsichere Zukünfte. Dabei verfolge ich die These, dass Realität und audiovisuelle Imagination in einem Wechselverhältnis stehen, indem sich die real (empfundenen) Krisen in der (Pop-)Kultur, den schönen Künsten und den Wissenschaften ablagern und einen neuen Hang zu Gesellschaftskritik und Zukunftsprognose zeigen.

FUTURE SOUNDSCAPES

Wie klingt die Zukunft? Das Future Soundscapes Festival widmet sich  Geschichte und Gegenwart des Science Fiction Sounds:

Ob das mechanische Quietschen der Gelenke von 
humanoiden Robotern, der bedrohlich-stampfende 
Rhythmus von Maschinenstädten, das digitale 
Prasseln von Bits und Bytes oder die sphärischen 
Klänge der unendlichen Weiten des Universums – 
all diese Geräuschkulissen verbinden wir mit 
utopischen bis dystopischen Bildwelten. 
Wie aber haben sich die akustischen Stereotype 
ausgebildet, und wieso halten wir sie für 
glaubwürdig? Welche Klänge verbinden wir mit 
totalitären Kontrollgesellschaften, mit Atomkrieg 
und Klimakatastrophen? Und welche mit friedvollen 
Vielvölkerstaaten? Wie klingt das Fremde, Unbekannte 
und Bedrohliche? Während die Narrative und Bilder 
des SciFi-Genres bereits allgegenwärtig und mit 
einer Vielzahl von Stereotypen fest im kollektiven 
Gedächtnis verankert sind, erkundet Future Soundscapes 
den Sound als essenzielles Element in der Gestaltung 
zukünftiger Welten: als Geräusch, Klang oder Musik.

Ich habe die Ehre, als Eröffnungsvortrag zu Future Soundscapes 2018 meine Sound-Lecture RAUSCH(EN): Ohne Noise — keine Zukunftsmusik zu halten. Danach stellt Manfred Miersch mit Subharchord und Theremin  zwei Instrumente vor, die die SciFi-Musik maßgeblich geprägt haben. Danach präsentiert Jan Brauer sein DJ Set zu “Das Himmelsschiff” (1918) — einem der ersten Raumfahrt-Filme…

STREAM me if you can

Do Androids Dream of Electric Sheep? fragte 1968  Philip K. Dick seinen dystopischen Roman , besser bekannt als Buchvorlage für Ridley Scotts dystopischen Klassiker Blade Runner ( 1982), eine Film noir-Variante von von George Orwells 1984.

Die Talk-Sektion des »Stream«-Festival Linz dagegen fragt: »DO SYNTHESIZERS DREAM OF SPOTIFY Es werden also technische Musikmaschinen adressiert und nach ihren Klang-Träumen befragt: Ein akustischer Turing-Tests im digitalen Zeitalter sozialer Medien…

 

Mir bietet die Sektion ›TALK‹ Gelegenheit, mein DLF-Feature DEA EX MACHINA in eine Sound-Lecture umzuwandeln. In Text und O-Tönen, Videos, Bildern und natürlich Musik ist das Ergebnis eine audiovisuelle Vision von der technofeministischen Emanzipation in der Musik: von Hedy Lamarr, über die ›topless cellist‹ und Laurie Anderson bis zu Julia Mihály.

Musik- als Medienwissenschaft

Lange verharrte die Musikwissenschaft in ihrer Konzentration auf Werk und Schöpfer von ›schöner‹ Kunstmusik. Doch zeichnet sich seit einiger Zeit ein Wandel und die Öffnung der Disziplin ab: medienkulturwissenschaftliche Theorien werden zu einer starken Stimme im musikwissenschaftlichen Chor und erweitern die autonomieästhetisch geprägten Standards des traditionellen Kernfaches. – Das zeigt etwa die aktuelle Ringvorlesung ›Aktuelle Perspektiven zur KLANGFORSCHUNG‹ an der TU Dresden, wo ich am 5. Dezember die Ehre habe, eine Sektion zu gestalten.

 

In meiner Vorlesung widme ich mich der »Musikalisierung von Störgeräuschen«, wie: NOISE – INTERFERENZEN – INTERPOLATIONEN , um mich exemplarisch an einem interdisziplinären Gedankenexperiment zu versuchen: einemal die ›Musik- als Medienwissenschaft‹ respektive die ›Medien- als Musikwissenschaft‹ zu betrachten, denn:

Was anderes, als ein Medium, ist die Musik?

Seit einigen Jahren bewegen sich die Sound Studies an den Rändern der Disziplinen formiert, um statt eines engen Musikbegriffs die Erforschung auditiver Kulturen fokussieren. Nach Jahren der mehr oder weniger friedlichen Koexistenz scheint es an der Zeit, kooperative Brücken in der ›Klang(kunst)forschung‹ zu bauen: Die Musikwissenschaften können medientheoretische Expertise gut gebrauchen und auch die Sound Studies nicht ohne die musikalische Expertise auskommen.

 

RAUSCH(EN): Eine laute Sound-Lecture

Rausch(en)-Soundlecture im Lothringer13

Im Rahmen der Finissage der Ausstellung YOU ARE IN MY WAVE gabs am  28. Mai 2017 im Lothringer13 Rausch(en) auf die Ohren:

Zwischen den  “Animal Crackers” und “Lovebrain and Diskotäschen” spreche ich über Posthumane Sinfonien – OHNE NOISE – KEINE ZUKUNFTSMUSIK – und unternehme eine klingende Zeitreise durch die Gründe der Medienmusik : Von Stockhausen und Kraftwerk, Varèse und Zappa über den Techno bis in die Ü-Musik der digitalen Ära.

http://www.lothringer13.com/veranstaltungen/finissage-you-are-in-my-wave-konzerte-sound-lecture/

 

Friedrich Schenkers MISSA NIGRA – ein Warnruf IM ANTHROPOZÄN

Anna Schürmer beim "Forum neuer Musik" 2017

Der Mensch erscheint im Holozän” (Max Frisch, 1979). Im Anthropozän aber baut die Spezies ihre eigene Abschussrampe: “Das Raumschiff Erde hat keinen Notausgang” (Peter Sloterdijk, 2011).


Friedrich Schenker schrieb sein “Kammerspiel II” MISSA NIGRA 1979 mit Blick auf ein zynisches Symbol des Kalten Krieges: Die Neutronenbombe ließ den Leipziger Komponisten und Posaunisten “Musik zum pazifistischen Gebrauch” schreiben; friedvoll sind die Klänge seiner schwarzen Messe allerdings kein bisschen. Vielmehr nutzt er aggressive Tongebung, schärfste Kontraste und  tragikomische Assonanzen, um ins Spiel zu setzen, was auf dem Spiel steht: In seinem alptraumhaften Happening setzt er die unmenschlichen Perversionen des menschlichen Denkens in neun Teilen als Warnruf vor dem menschgemachten Untergang der Spezies in Szene – die im Anthropozän neue Dringlichkeit entfaltet.


Die MISSA NIGRA ist Gegenstand meines publizistischen Zyklus, der sich um eine Aktualisierung des Werkes und seines Stoffes in der Gegenwart bemüht.

Anlass war das “Forum neuer Musik” des Deutschlandfunks, das sich 2017 mit einem nur scheinbar unmusikalischem Thema beschäftigte:

IM ANTHROPOZÄN”

Der amerikanische Philosoph Timothy Morton prophezeite: “Die Zeit wird kommen wo wir an jeden Text die Frage stellen, was sagt er über das Klima aus” – und genau das tat Frank Kämpfer mit seinem Forum neuer Musik 2017:

“Der Mensch ist heute der zentrale irdische Akteur. Wir sind dabei, die Biosphäre, unsere Lebensumwelt auf der Jagd nach Wachstum aller Art immer stärker zu stören. Die zeitgenössischen Künste müssen sich dazu positionieren!”

Das zeigt sich nicht nur in neuen Werken wie “Kudzu / the sixth phase/“, in dem die schwedische Komponistin Malin Bång die irdische Klimaerwärmung und die Potenziale der Pflanzen mit musiktheatralen Mitteln zusammendenkt. Auch ältere und in anderen Kontexten entstandene Werke wie “De natura hominis” (1998) von Georg Katzer oder eben Friedrich Schenkers “Missa nigra” lassen sich mit heutigen Fragen aktualisieren: Nicht nur Weltpolitik, auch anthropogene Ereignisse wie der Klimawandel, Medienumbrüche wie die Digitalisierung und  neue Formationen zwischen Natur und Kultur wie die “Technosphere” lassen Werke reagieren.


Den Auftakt zu der Serie macht mein Text DER ALTE FRITZ UND DIE BOMBE, der in der (2/2017) der Neuen Zeitschrift für Musik (NZfM) erschienen ist.

Am 7. April folgt in Köln die Premiere der Neuinszenierung von Oliver Klöter in der musikalischen Interpretation des ensemble 20/21 unter der Leitung von David Smeyers. Am Vormittag, im Rahmen der Matinee an der Kölner Musikhochschule wo Stefan Amzoll, Nina Noeske und ich dem “Naturfreund und Apokalyptiker” Friedrich Schenker bedachten, hielt ich meinen Vortrag “Der Alte Fritz und die Bombe” über die Bombe als ebenso physisches wie metaphysisches Symbol für die anthropogenen Schrecken.  Am Abend folgte im Foyer des Funkhauses meine Lecture “Vom Original zur Aktualisierung”, in der ein audiovisuelles Artefakt im Zentrum stand: der Mitschnitt der Urinszenierung von 1979 im Alten Rathaus zu Leipzig, wo die Gruppe Neue Musik “Hanns Eisler”  Friedrich Schenkers kunstvolle Schreckensvisionen als politdadaistische Orgie in schwarzen Farben ausmalte und eine Bo,be lautmalerisch detonieren ließ:

Im Nachgang entstand im Juli 2017 mein Konzertdokument, das in zwei Stunden die Neuinszenierung durch Oliver Klöter und das Ensemble 20/21 unter David Smyers vorstellt und kommentiert und zeigt: Auch in Hörweite der zeitgenössischen Problemlagen – neuen Kriegen, Nationalismus und Protektionismus etc. – entfaltet Friedrich Schenkers MISSA NIGRA ungeheure Kraft.